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"Wir suchen und pflegen Kontakte zu Menschen in Wittens Partnerstädten"

Die Europa-Fahrradtour

Die Europa-Radtour mit langer Tradition
Die Europa-Radtour mit langer Tradition

Pfingstsamstag startet sie wieder, die Radtour Witten-Beauvais. Es ist die 31. Auflage, zu Pfingsten 1979 quälte sich erstmals eine Radfahrer-Gruppe von Witten in die französische Partnerstadt Beauvais. So ziemlich an jedem Rathaus auf der Strecke hielt der Tross damals an und warb für die Teilnahme an der Wahl. Dem Vorankommen war das nicht sehr zuträglich.

Bürgermeister Klaus Lohmann und sein französischer Kollege Walter Amsallem waren die Team-Chefs bei dieser ersten und den folgenden Touren. Als Begleitfahrzeug diente ein ausgemusterter Linienbus, den die SPD als Wahlkampf-Fahrzeug knall-orange gespritzt hatte, mit voluminösen Lautsprechern auf dem Dach.

Dieser rollende Farbklecks, der auch beim Durchqueren der Ortschaften auf den Europawahl-Termin aufmerksam machte, war beladen mit Bananen und Äpfeln, Getränkeflaschen und anderen Stärkungen. Doch da der Bus hinten bei den langsamsten Fahrern blieb, während die sportlichen Fahrer längst zwei Berge weiter voraus waren, entwickelte sich ein fatales Verteilungs-System. Hinten hielten die müden Radler an, um sich mit Getränken versorgen zu lassen; vorne warteten die stärkeren Fahrer vergebens, dass sie auch etwas abbekämen.

Eigentlich hätte die Gruppe mit diesem Verfahren gar nicht in Frankreich ankommen dürfen. Doch sie schaffte es wider Erwarten, und dann waren die Teilnehmer so stolz auf ihren Erfolg, dass sie noch in Beauvais vereinbarten: Nächstes Jahr fahren wir in die andere Richtung.

Tatsächlich: 1980 starteten die Partnerschafts-Radfahrer in Beauvais. Die Vorjahrs-Teilnehmer hatten ein paar Freunde zusätzlich angeworben, die gröbsten Organisations-Pannen waren erkannt und behoben worden. Und die Franzosen schalteten sich in die Vorbereitung mit ein, so dass ein echtes Gemeinschafts-Unternehmen entstand.

Mit der Rück-Tour war es auch noch nicht getan; denn nach der zweiten Fahrt wurde gleich die Route für das kommende Jahr diskutiert, ohne dass jemand die Frage gestellt hätte, ob dieses Unternehmen denn fortgesetzt werden sollte.

Zehn Jahre ging es so hin und her zwischen den beiden Partnerstädten, jedes Mal auf einer etwas anderen Strecke. Eine der anstrengendsten Fahrten war dabei die auf der Westroute durch Belgien und die Niederlande. Die Berge wurden dabei wirklich gemieden, statt ihrer tauschte man Gegenwind und Regen ein.

Die Wurzeln dieses Partnerschafts-Erlebnisses waren politisch, und politisch blieb es während der ganzen Anfangs-Phase. Nicht, dass eine Partei das Sagen gehabt hätte. Ratsmitglieder aller Fraktionen gehörten dem Wittener Team an, und auch auf französischer Seite waren oft Frauen und Männer dabei, die Verantwortung trugen für die Stadt. Da blieb es nicht aus, dass unterwegs oder an den Abenden besprochen wurde, wie der Austausch der Bürger belebt werden konnte: "Wir haben da eine Langläufer-Gruppe, die möchte mit euren Sportlern zusammenkommen." Oder: "Eine Künstlergruppe möchte bei euch ausstellen, wo gibt es einen Raum dafür?" Brieffreundschaften und Klassenfahrten, Kontakte der Philatelisten und Sportfeste, Besucherreisen, Bootsfahrten, Turniere - von Rad zu Rad wurde über alles gesprochen.

Doch nach zehn Jahren kannten die Teilnehmer, zumindest die Wiederholungs-Täter, jedes Dorf und fast jeden Baum am Wege. Deshalb wurde beschlossen, von da an nicht mehr zwischen den beiden Städten zu pendeln, sondern jeweils eine Landschaft vorzustellen, einmal in Frankreich, einmal in Deutschland. In diesem Jahr geht es in den Süden Bayerns, Chiemgau und Berchtesgadener Land, 2008 wurden Perigord und Dordogne erkundet. Im Norden, Süden, überall waren die Radler unterwegs. Besonders spektakulär war eine Fahrt auf Korsika, wo der Bus, der die Mannschaft hingebracht hatte, einen Meter länger war als die für die Insel als Obergrenze empfohlenen elf Meter. Nachher wussten alle, warum elf besser gewesen wäre.

Bei dieser "rallye", wie die Franzosen es nennen, waren acht Fahrer aus Barking and Dagenham mit dabei. Immer wieder haben die Veranstalter Interessenten aus anderen Partnerstädten eingeladen, sich der Gruppe anzuschließen. Kursk, Tczew, Lev Hasharon, Wolfen und immer wieder Barking and Dagenham bereicherten das europäische Bild. Manchmal war es schon ein ziemliches Sprachen-Gewirr.

Eigentlich sollte Witten-Beauvais ja eine Wanderung sein. Bürgermeister Klaus Lohmann hatte die versprochen, ohne auf der Landkarte zu prüfen, wie viel Zeit man dafür braucht. Und als die Einlösung des Versprechens immer wieder verschoben worden war, weil die diversen Terminkalender das einfach nicht hergaben, wurde als "Anzahlung" die Fahrrad-Reise angeboten. Seit 30 Jahren wird jetzt angezahlt.

Bericht von Erich Bremm